Dem Wein seinen Willen

Weine mit Haltung und Häuser mit Seele – dafür stehen Daniela Vigne und Toni Söllner. In Gösing am Wagram betreiben die beiden biodynamischen Weinbau und ein in einer ehemaligen Greißlerei untergebrachtes Gästehaus. Nacktsonnen ist möglich. 

Nein, Esoteriker seien sie und ihr Mann nicht, versichert Daniela Vigne. Lieber spricht die Frau mit den langen, über den Rücken fallenden Haaren, die an diesem Tag eine Tunika trägt, von Verantwortung und Respekt gegenüber der Natur. 

Nur wenn es uns selbst gut geht, wird auch der Wein gut

Als sie mit 21 ihren Mann Toni Söllner kennenlernte, führte der bereits das gleichnamige Weingut. So wurde aus einer ehemaligen Einzelhandelskauffrau eine Vollzeitwinzerin, etwas, das sie nie bereut hat. Schnell war klar, dass sie und ihr Mann dieselbe Philosophie verfolgten. Erst biologischer, dann seit 2004 biodynamischer Weinbau und Landwirtschaft. Ihre Pflanzen schützen sie biologisch vor Schädlingen, nutzen Photovoltaik und betanken ihren Traktor mit Pflanzenöl. „Unsere Reben sind gesund und gedeihen hervorragend“, so Daniela. „Warum sollten wir es anders machen?“ Auffallend viele Winzer:innen im Wagram wirtschaften biologisch, entsprechend stark sei der Zusammenhalt und fruchtbar der Austausch. 
Hauptsächlich bauen die beiden trinkfreudige, leichte Grüne Veltliner an, aber auch für die autochthone Sorte Roter Veltliner bekommen sie viel Lob. Ihr Signature Wine? Ein in Steinzeugflaschen vertriebener, maischevergorener Roter Veltliner, der mit Weißburgunder, Riesling, Souvignier Gris und Traminer verschnitten wird. „2002 fanden Toni und ich auf dem Flohmarkt mehrere Steinzeugbehälter und überlegten, ob wir die nicht für unsere Weine nutzen könnten.“ Irden heißt diese Rarität, benannt nach jenen tönernen Gefäßen, in denen früher besonders wertvolle Lebensmittel gelagert wurden. Ein weiteres großes Thema seien die klima-und pilzresistenten Sorten. Rund 80.000 Flaschen produziert das Paar jährlich, wovon die Hälfte ins Ausland geht. Zehn bis fünfzehn Prozent sind Ab-Hof-Verkauf. 

Toni Söllner und Daniela Vigne

Ökologische Landwirtschaft ist für uns alternativlos.

Daniela Vigne und Toni Söllner

Schafe hielt das Gösinger Paar, dessen Sohn Julian in den Betrieb eingestiegen ist, in der Vergangenheit auch, wobei diese zu viel Aufmerksamkeit forderten. Den Traum vom Pfau haben sie sich bislang nicht erfüllt. Immerhin gibt es noch Hühner und die Samojede-Hündin Rika, mit der Daniela besonders gerne entlang der Rieden spazieren geht. Ein bisschen Obstbau betreiben sie uns ihr Mann noch und brennen ihren eigenen Schnaps. Vergrößern wollen sie sich nicht, sondern in sich ruhend arbeiten. „Nur wenn es uns selbst gut geht, wird auch der Wein gut.“

Eine Gastgeberin mit Sinn für das Besondere

Irgendwann war das Weinmachen Daniela allerdings nicht mehr genug. Für Kulinarik hatte sie sich immer schon begeistert, schließlich wuchs sie in einer Heurigengegend auf, genau genommen in Unterbergern, das mitten im Dunkelsteinerwald liegt, also ziemlich abseits vom Strom. Und heute lebt sie auf der anderen Seite der Donau, was vielleicht dazu geführt hat, dass ihre Art, Wein zu machen, sich abhebt von dem, was sonst im Wagram üblich ist. Als Jugendliche träumte Daniela davon, Einkäuferin bei Meinl am Graben zu werden. Ein Restaurant zu eröffnen, kam für sie nicht infrage, „da sind wir hinsichtlich der Vielzahl an Haubenlokalen in unserer Region regelrecht gesegnet“, aber warum nicht Menschen auf andere Art eine schöne Zeit bereiten? Eine „Krämerseele“ sei sie immer schon gewesen. Als 2015 die alte Dorfgreißlerei zum Verkauf stand, schlug sie zu. Ein unscheinbares, in einer Seitenstraße gelegenes Gebäude, nur über Treppen zu erreichen. Hinter dem Tor verbirgt sich ein kleiner, angenehm schattiger Innenhof. Von dort gehen mehrere Zimmer ab, eines davon mit einer offenen Küche und einem einladend gestalteten Wohnbereich. Des Weiteren führt eine Eisentreppe von der Terrasse auf eine höhere Ebene, wo sich ein weiteres Schlafzimmer und eine zweite Terrasse befinden, so gut vor Blicken geschützt, dass man sich mitten im Dorf beruhigt nackt sonnen könne, wie Daniela versichert.

Sieben Jahre lang hat sie bis ins kleinste Detail für eine originalgetreue, dabei gleichzeitig zeitgemäße Renovierung gesorgt. Teilweise stammen die Möbel noch aus der rund 100 Jahre alten Greißlerei, ebenso Kleiderhaken und Gläser. Ausgezeichnet wurde die Wahl-Gösingerin dafür mit der Goldenen Kelle, einem Preis für den Erhalt und Ausbau historischer Häuser. Bis zu sechs Personen haben Platz in jenem Haus, das sie ihr „Baby“ nennt. Mietbar ist es nur im Ganzen, wobei auch nur ein Schlafzimmer genutzt werden kann. Wer möchte, stellt sich in der Ladenecke ein kleines Frühstück mit Produkten aus der Region zusammen. Wein gibt es sowieso, natürlich jenen aus eigenem Anbau. Möglicherweise war das nicht das letzte Projekt dieser Art. „Ich liebe es, alten Häusern ein neues Leben zu verleihen.“ Dass sie von deren Seele spricht, macht Daniela nicht zur Esoterikerin, sondern einer Gastgeberin mit Sinn für das Besondere.