Trockensteinmauern

Mit Hammer und Gefühl

Warum Trockensteinmauern echte Alleskönner sind und worauf es beim Bauen ankommt, erklären Rainer Vogler und Martin Skos.

Ohne sie wäre Weinbau in der Wachau nicht möglich: Die berühmten Trockensteinmauern geben der Region ihr Gesicht. Zeile. Für Zeile. Für Zeile schwingen sie sich die steilen Hänge hinauf. Hier mitten in den Weingärten findet man auch Rainer Vogler immer wieder. Der „Mister Trockensteinmauer“ Österreichs gibt sein Wissen rund um das Handwerk gerne weiter – an Schülerinnen, Schüler und Erwachsene. Auch Martin Skos hat ihn bei einem seiner Kurse kennengelernt – mittlerweile beherrscht er das Trockensteinmauern schon so gut, dass er selbst unterrichtet. 
 

 

Wir treffen die beiden am Roten Tor in Spitz an der Donau. Hier gibt es nicht nur Mauern, die die beiden mit Schulklassen gemeinsam restaurieren, sondern auch das volle Wachau-Panorama. Weil es auch darum geht zu vermitteln, wie wichtig die Mauern für die Region sind. Das Ganze ist eben mehr als die Summe seiner Teile. „So eine Trockensteinmauer ist ein echter Alleskönner: Sie ist elastisch und wasserdurchlässig, ökologisch und langlebig. Die ältesten Mauerreste in der Wachau datieren aus dem 13. Jahrhundert – das sagt alles, oder?“, so Rainer Vogler.

Rainer Vogler

Beim Arbeiten denkst du immer schon einen Schritt voraus: Welcher ist der nächste Stein, der passen könnte? Wie positioniere ich ihn? Welcher funktioniert dann danach? Das fordert einen auch geistig und das viele Tüfteln führt dazu, dass man die körperliche Arbeit nicht so spürt

Rainer Vogler

Welcher Stein kommt als nächster?
Einen Hammer und eine Schnur. Hardware braucht es für das Mauer-Bauen wenig. Eher viel Software in Form von Tüfteldrang, Gefühl und Geduld, findet Rainer Vogler. Welcher Stein auf welchen passt – das erkennt man durch viel Übung und mit dem entsprechenden Aug’. Allein durch die richtige Positionierung der Steine wird die Mauer stabil – und das ganz ohne Verbindungsmittel wie Beton oder Mörtel. Schlussendlich muss noch entschieden werden, ob ein Stein ein G’sicht hat – also für die vordere sichtbare Reihe taugt.

Auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes 

Paragneise, Marmor, Gföhler Gneis. Gebaut wird mit den Steinen, die vor Ort sind. So entsteht die typische grau-braune Marmorierung der Mauern. Merke: Wenn ein Stein nach Feuerstein riecht, sobald man mit dem Hammer draufschlägt, dann wird er nicht zerspringen. Wichtig, damit die Mauer lange stabil bleibt. Auch das lernt man bei Rainer Vogler, der sich seit rund 20 Jahren damit beschäftigt. Er war es übrigens auch, der sich für die Aufnahme des Handwerks in die UNESCO-Liste der immateriellen Kulturerbe engagiert hat. Erfolgreich! Seit 2021 ist das Trockensteinmauern darin verzeichnet.

„Diese Abwechslung findest du in keinem Nützlingshotel“

Was die Mauern so einzigartig macht? „Dass sie auch eine besonders nachhaltige Bauweise darstellen. Sie sind wie ein Nischen- und Ergänzungsbiotop: vorne brennheiß und trocken. In nur zwanzig Zentimetern Tiefe kühl und feucht. Das macht es möglich, dass so viele Tierarten auf engstem Raum zusammenleben. Bei einer Untersuchung wurden unglaubliche 128 Arten gefunden! Diese Abwechslung findest du in keinem Nützlingshotel!“, erzählt Rainer Vogler. Die Begeisterung für die Mauern schwingt in jedem Satz mit. Und die ist ansteckend, weiß Martin Skos: „Meinen ersten Kurs bei Rainer absolvierte ich, um dann eine Mauer in meinem Garten zu bauen. Ich hätte nie gedacht, dass daraus quasi mein Beruf wird.“ Mittlerweile arbeitet Martin Skos für das Weingut Atzberg – die gleichnamige Weinriede zählt zu einer der steilsten in der Wachau. Alle Weingärten werden hier durch Trockensteinmauern vor dem Abrutschen in die Tiefe geschützt. Damit spielen die Mauern eine wahrlich tragende Rolle in der Wachau. Und das werden sie auch in vielen, vielen Jahre noch tun. Denn Rainer Vogler und Martin Skos verstehen ihr Handwerk …